Leider ein ziemlicher Mist in meinen Augen… Ich habe mal an die Redaktion geschrieben, mal sehen ob sie antworten….
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Hallo,
ich habe, da es mich auch selbst betrifft, Ihren Podcast zum Thema Crossdressing zunächst mit Interesse wahrgenommen und angehört.
Ich bin leider relativ enttäuscht davon, da der Beitrag doch an vielen Stellen eher konventionell und eindimensional daher kommt.
Wäre es nicht spannend gewesen, wirklich mal tiefer zu schauen - vielleicht auch, in dem man nicht nur mit tatsächlichen oder selbsternannten Experten, sondern auch mit betroffenen Menschen und deren Umfeldern gesprochen hätte?
Statt dessen wird erstmal lange in der Mottenkiste der Geschichte und der Popkultur gekramt, ohne dass da was substantielles zum Thema herauskommen würde.
Dann wird die sexuelle Komponente in der Vordergrund geschoben, wahrscheinlich, weil die bei den Hörer:innen die meiste „Gänsehaut“ erzeugt, wenn von Sissies, Maids und Rollenspielen die Rede ist - dabei ist das bestenfalls für ein kleiner Teil der Menschen relevant.
Viel besser wäre doch gewesen, wirklich mal hin zu schauen, denn es gibt ja nicht „den“ Crossdresser oder „die“ Crossdresserin“, sondern ganz unterschiedliche Menschen mit ganz unterschiedlichen Emotionen, Geschichten, Orientierungen…
Fazit: schade drum, leider gilt hier mal wieder: gut gemeint ist nicht gut gemacht.
Der Klassiker, wie er vor 60 Hahren in Lexika zu finden war:
ZitatTrans|ves(ti)|tis|mus (m) krankhafte Neigung, die Kleidung des anderen Geschlechts zu tragen.
Wird seit jeher Männern angelastet. Krawatten, Smoking,... ja selbst Boxershorts mit Eingriff(!) an einer Frau sind lediglich modische Accessoires und niemals Fetisch oder einer Neigung zuzuordnen. Aber wehe manN bedient sich am Damensortiment - dann kommt das Somdom und Gomorrha gleich!
Zitat von Hannes73 im Beitrag #6 .... Aber wehe manN bedient sich am Damensortiment - dann kommt das Somdom und Gomorrha gleich!
Egal!
Genau das ärgert mich auch oft wenn ich in Gesprächen Frauen darauf ansprechen wenn sich ein Mann im Damensortiment bedient. Ich finde immer noch das Damenkleidung viel angenehmer (fühlt sich angenehmer auf der Haut an) zu tragen ist als Männerkleidung.
Damenkleidung & Accessoires sind oftmals bequemer, hübscher, netter, angenehmer, farbenfroher, vielfältiger, usw. Siehe nur "Abendgarderobe": 200 Pinguine und 200 Damen in schillernden Roben - alle möglichen Farben und Schnitte
erstmal herzlichen Dank, dass Sie sich die Mühe gemacht haben, uns Ihre Meinung zu schreiben! Natürlich tut es mir als verantwortlichen Redakteur auch sehr leid, dass Sie von unserer Herangehensweise enttäuscht waren. Das hat aber auch einen Grund, den Sie völlig zurecht ansprechen: Es gibt nicht DIE eine Form, DIE eine Motivation, DEN Grund für … , daher waren wir bemüht, ForscherInnen, die sich mit dem Thema beschäftigen, zu Wort kommen zu lassen und vorrangig in dem Fall nicht Betroffene, die in der Regel – sicher berührender, lebendiger …- ‚nur‘ Ihre Geschichte erzählen können. Ich kann Ihnen aber versichern, dass wir in keinster Weise damit bei den HörerInnen einen ‚Gänsehaut-Effekt‘ erzeugen wollten, das liegt uns mehr als fern, unser Auftrag ist es, Hintergrundwissen zu vermitteln. Der Autor der Sendung ist ein sehr erfahrener und gerade in solchen Themen sehr feinfühliger, offener Kollege, der sich gerade zu diesem Beitrag sehr viele Gedanken gemacht hat!
Jetzt mach ich IHNEN mal einen Vorschlag: Wollen wir mal telefonieren? Ich denke, das Thema gibt mehr her als nur einen Beitrag!
Zunächst einmal danke für Ihre schnelle und bezogenen Antwort ! Um es gleich vorweg zu sagen, wir können gerne telefonieren und ich kann mir auch durchaus vorstellen, bei einem weiteren Beitrag etwas beizutragen.
Ich möchte dennoch zunächst auf Ihre Mail und nochmal etwas auf den Beitrag eingehen, damit ein solches Telefonat mehr Substanz hat.
Ich kann Ihre Argumentation nachvollziehen, das einzelne Geschichten zwar lebendiger, aber natürlich auch nicht repräsentativ sind und Sie daher auf Forscher (Forscherinnen sind mir keine aufgefallen in dem Beitrag) und deren Erkenntnisse setzten. Dann verstehe ich aber nicht die Auswahl der Forscher...
Hr. Dr. Herr ist nach meiner Kenntnis Medizin-Historiker, keine Psychologe, wie ich es bei dem Thema „Psychologie des Rollentauschs“ aber erwarten würde. Hr. Dr. Herr bezieht denn auch konsequenterweise vielmehr zu den historischen Aspekten als zu den psychologischen Aspekten Stellung.
Ich habe mir den Beitrag nochmal durchgelesen, ganz im Wesentlichen bezieht der sich auf Forschungen von Magnus Hirschfeld, die fast 100 Jahre alt sind und sehr geprägt von den damaligen, sehr engen Rollenbilder. Dabei gibt es ja sehr viel modernere Forschung dazu, den Bezug auf Hirschfeld und eine Zeitschrift aus den 1930er Jahren finde ich schon recht seltsam.
Dann als zweiten „Forscher“ Hr. Nolte, seines Zeichens Inhaber des größten Domina- und Bizzarstudios in Berlin zu Wort kommen zu lassen, macht die Sache leider nicht besser.
Ich will Ihm die Kompetenz in Fragen „ungewöhnlicher“ sexueller Praktiken nicht absprechen, aber klar ist auch, dass er nur den (kleinen) Teil der Männer in seinem Studio erlebt, die Frauenkleidung als sexuelle Stimulation verwenden. Das wird dann schon fast geschmacklos, wenn er darüber schwadroniert, dass das Anziehen von Frauenkleidern etwas mit „Erniedrigung" zu tun habe und dass Männer, die Frauenkleider trügen "penetriert„ werden wollten. Das gibt es natürlich alles und mag auch in der beruflichen Praxis von Hr. Nolte so vorkommen, aber das hat mit der Masse der Menschen, die, aus welchen Gründen auch immer, Kleidung des „anderen Geschlechts“ tragen, gar nichts zu tun. Das wird dann noch schön weiter mit großer Expertise in Richtung Sissy und Maid ausgetreten, als wenn dass die beherrschenden Motive wären. Das erscheint mir tatsächlich wie der Versuch, das Thema für ein Publikum spannend zu machen, das gerade „Fifty Shades of Gray“ gelesen hat, daher meinen „Gänsehaut“ Aussage.
Mit anderen Worten, ich kann Ihren Ansatz, Experten:innen zu Wort kommen zu lassen nachvollziehen, aber die Auswahl dieser Experten und die Inhalte, die Sie dabei aufgezeichnet haben, leider absolut nicht. Diese etwas geschmacklose Art des Hr. Nolte passt leider auch nicht zu einer ernsthaften Auseinandersetzung mit dem Thema.
Ich muss auch sagen, dass ich schon den Einstieg in das Thema enttäuschen fand. Ich hätte leider gewettet, dass es mit Rocky Horror und Frank N. Furter beginnt. Natürlich ist dies wahrscheinlich die Figur, die vielen als erste einfällt, aber leider ist sie ebenso ungeeignet. Frank N. Furter ist ganz klar als übertriebene Persiflage angelegt, kaum jemand der in irgend einer Weise dem Thema verbunden ist, würde sich in dieser Figur sehen. Ebensogut könnte man Männer im Kölner Karneval, die mal einen Tag im „Fummel“ unterwegs sind oder Mary&Gordy als Beispiele anführen.
Dabei hätte es, wenn man schon allgemein bekannte Figuren anführen wollte, durchaus bessere gegeben: Billy Wilder hat mit „Some like it hot“ bereits 1959 einen Film geschaffen, der - trotz seiner Zeit und der damals sehr engen Moralvorstellungen - mit dem Thema relativ offen und intelligent umgeht. Die Figur von Jack Lemmon (Gerald = Daphne) ist wirklich ziemlich klug gezeichnet, der heterosexuelle CIS-Mann Gerald, der erste aus der Not heraus in Frauenkleidern auftritt und dann nach und nach gefallen daran findet und irgendwann selbst nicht mehr genau weiß, wer oder was er ist. Es gibt eine homoerotische Komponente mit Osgood, aber auch das bleibt offen, denn Daphne fühlt sich auch sehr zu Suger und den anderen Frauen hingezogen. Daraus hätte Ihr Beitrag weit mehr Inspiration ziehen können, als aus der ollen Rocky Horror Picture Show…
Vielleicht geben Sie meine Kritik ja auch an Ihren Autor weiter, wenn er so offen und feinfühlend ist, dann sollte es Ihn auch interessieren?
Danke! Nachdem ich den Podcast nun vollständig durchgehört habe, kann ich Dir in vielen Punkten beipflichten! Dabei fand ich die Aussagen von Kolja Nolte stellenweise ganz gut, z.B. Nagellack bei Männern, dass manN sich da emanzipiert. Aber genau dieser Aspekt, mit dem hier die meisten auch gerne hohe Schuhe tragen, es aus modischen Gründen machen, keine "Rolle spielen" und dies auch nicht aus erotischen Gründen oder weil wir damit jemandem etwas beweisen wollen (als eine Art Protest/ Demonstration), geht hier bei dem Thema unter. Es geht hier nicht um kurzweilige Befriedigung, sondern um die Integrierung in den Alltag. Nicht mit 15cm Stilettos vorm Spiegel stehen und onanieren, sondern mit 5-10cm zur Arbeit gehen, sich mit Freunden treffen, einkaufen und spazieren gehen - kurzum: den ganzen Tag durchstehen. Um am Ende "völlig geschafft", aber glücklich, die Schuhe wieder auszuziehen und sich am Barfußsein zu erfreuen.
Auch sollte man hinterfragen, warum das Anziehen eines Rocks oder allgemein weiblicher Kleidung immer noch als Erniedrigung gesehen wird. Zu Zeiten von Shakespeare und seinem Falstaff vielleicht noch lustig und zeitgemäß - aber im 21. Jahrhundert und nach der dritten Welle des Feminismus nicht mehr nachvollziehbar und tragbar. Ich sehe es selbst als Empowerment, wenn ich hohe Schuhe trage - so wie andere Frauen das auch sehen. Die damit eher einen Stärkezuwachs erleben und ausdrücken. Also sich nicht schwach empfinden. Der Designer Ruí Leonardos sagt es einmal: "man braucht Eier, wenn man als Mann hohe Schuhe tragen will." Es ist also das Gegenteil: nicht Verzicht an Stärke, sondern die Zunahme derselben. Wer dies hingegen kritisiert und als "weibisch" oder "schwul" diskreditiert, beweist eigentlich nur, in welch patriarchalen, mittelalterlichen Rollenmustern und -Wertvorstellungen er steckt. Wer offen und wertneutral damit umgehen kann, wird diesen Mut und die Wahl des Outfits eher loben, als schlecht reden.
ich denke es gibt viele unterschiedliche Motive, warum Menschen Kleidungsstücke des anderen Geschlechts tragen oder sich sogar komplett so kleiden… Deine Sicht ist eine, es gibt wahrscheinlich so viele teilweise unterschiedliche, wie das Forum hier Mitglieder hat.
Das wäre ja spannend gewesen, das mal fundiert aus einer wissenschaftlichen Sicht zu betrachten… statt dessen nichts als Klischees und ollen Kamellen.