Erlebnisse in der �ffentlichkeit » Das erste Mal draußen

26.03.2022 12:45

Ich habe es endlich mal geschafft, den inneren Schweinehund zu zähmen, und bin am Mittwoch zum allerersten Mal mit hohen Stiefeletten rausgegangen.

Am Nachmittag kam meine Frau in mein Büro und hat mich gefragt, ob ich Lust auf Eis hätte. Die Frage habe ich natürlich bejaht, weil das Wetter so schön war, aber ich wollte meine Stiefeletten nicht ausziehen. Ich fand sie einfach sehr passend zum restlichen Outfit. Daher habe ich all den Mut gesammelt, den ich in mir hatte, und habe mit meiner Frau zusammen die Sicherheit unseres Hauses verlassen.

Um Eis zu holen, mussten wir Richtig Altstadt laufen. Da es ein warmer, sonniger Tag war, waren viel mehr Leute unterwegs, als ich es gerne gehabt hätte. Wir wohnen in einer Kleinstadt und es gab etliche Leute die mich dann doch ziemlich blöd angegafft haben. Die Blicke waren nicht boshaft, sondern eher etwas schockiert, erstaunt und verwirrt.

Wenn ich nervös bin, neige ich dazu, Leute direkt in die Augen zu schauen. Das habe ich auch in diesem Fall gemacht und die meisten haben einfach wieder weggeschaut. Ich habe keine Kommentare oder sonst was direkt gehört, aber ein nettes Lächeln habe ich von einer Frau geerntet, die auch hohe Stiefeletten anhatte.

Bei der Eisdiele gab es eine ziemlich lange Schlange und wir mussten eine Weile anstehen. Die Eisdiele ist direkt an der Hauptstraße und daher gab es viele Leute, die vorbei gelaufen bzw. gefahren sind. Der Typ, der vor uns stand, hat sich immer wieder umgedreht und mich angeschaut. Er war ziemlich jung (ich schätze mal Mitte 20) und ich hatte den Eindruck, dass er etwas neidisch war, aber es kann durchaus sein, dass ich mir das nur eingebildet habe.

Unser Eis schon bekommen, sind wir über die Hauptstraße gegangen und haben uns auf ein niedriges Mauer hingesetzt. Da die Hauptstraße ziemlich viel Verkehr hat, musste ich mich schicken, um rüberzukommen, was mit den Absätzen ganz bestimmt ein wenig witzig ausgesehen hat.

Mein Eis habe ich gegessen und dabei die Leute beobachtet, wie sie mich angeschaut haben. Jeder, der an uns vorbeigegangen ist, hat mich mit unterschiedlichsten Blicken angeschaut, egal auf welcher Straßenseite. Es gab fast das ganze Programm: Neugier, Schock, Verwirrung, Kopfschütteln, Lächeln, Missfallen, Neid und Desinteresse.

Eis aufgegessen, sind wir dann wieder nach Hause gelaufen. Nebenan gibt es eine Baustelle. Auf dem Hinweg habe ich keine Bauarbeiter gesehen, aber auf dem Rückweg standen schon einige rum. Die haben mich auch ziemlich blöd angeschaut. Kurz darauf hat die ganze Runde gelacht, aber ich habe nicht gehört, was sie gesagt haben oder ob es was mit mir zu tun hatte.

Wieder in der Sicherheit unseres Hauses angekommen, habe ich erstmal von dem Adrenalinstoß runterkommen müssen und habe ich mich einfach mal auf die Couch ein paar Minuten hingesetzt. Danach war ich sehr glücklich, dass ich meine Ängste überwinden konnte.

Insgesamt war die Erfahrung eine sehr gute. Obwohl so viele Leute mich angegafft haben, hat das mich viel weniger gestört, als ich es gedacht hätte. Ich fand es eher spannend zu sehen und zu schätzen, wie die Leute reagiert haben/reagieren würden. Ich freue mich jetzt schon auf die nächste Gelegenheit.

Meine Frau hat mir auch mit ihrer Unterstützung und Ermutigung sehr geholfen. Sie hat mir immer wieder gesagt, wie toll sie es findet, dass ich mich endlich getraut habe. Als wir wieder daheim waren, hat sie mich umarmt und mir gesagt, dass sie sehr stolz auf mich war. :)

Unterwegs war ich mit der ganzen Situation zu beschäftigt, um nur daran zu denken, ein Foto zu machen, aber ich habe ein Foto gemacht, nachdem ich wieder zuhause war:

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